„Wer beim Skifahren nicht stürzt, versucht es nicht richtig!“ Dieser dem ehemaligen Verteidigungsminister der USA Donald Rumsfeld zugeschriebene Ausspruch fordert Intensität und Risiko im Tun – nicht so sehr das Können. Und schon gar nicht Rücksichtnahme – allein auf der Piste!
Der Satz regt zum Spielen an. Jede Handlung gehört auf die riskante Spitze getrieben: Autofahren – Unfall bauen, Kartenspielen – Karten zinken, abendlicher Kneipenbesuch – Vollrausch, Fussball spielen – foulen, Arbeiten – ??? Was könnte man beim Arbeiten riskieren? Joseph Beuys hatte auch dafür eine passende Antwort parat: Man soll auf Verschleiß leben!
Als wenn man auf die Stimme des großen Meisters hören würde: Der Verschleiß von Gesundheit und Lebensfreude am Arbeitsplatz greift um sich. Dort herrscht nicht mehr die immense körperliche Belastung wie sie z.B. Adolph von Menzel in seinem Gemälde „Das Eisenwalzwerk” 1875 eindrucksvoll festgehalten hat. Der Druck geht nicht mehr direkt auf das Skelett. Die Eisen sind längst größer geworden und werden (hierzulande) ununterbrochen von Robotern bewegt. Die Belastung trifft uns heute als psychischer Druck, der immer weiter ansteigt:
Die Meisten haben heute mehr Stress als vor drei Jahren
- 18 bis 29 Jahre 75%
- 30 bis 39 Jahre 71%
- 40 bis 49 Jahre 61%
- 50 bis 59 Jahre 62%
- 60 bis 69 Jahre 36%
- 70 plus 45%
Anteil der Befragten, die sagen: Mein Leben ist in den vergangenen drei Jahren stressiger geworden. Ø: 58 %
Source: TK-Stressstudie 2016
Nun ist Stress für sich genommen nichts Schlechtes. Es ist sogar körperlich und psychisch von Vorteil, wenn alle Systeme mal so richtig zeigen können, was in ihnen steckt. Und dabei ist es einerlei, ob es glückliche oder ärgerliche Umstände sind, auf die wir mit Stress reagieren. Entscheidend für unsere Vitalität ist, dass der Organismus einerseits die Zeit und dann auch die praktische Fähigkeit besitzt, die Stresssymptome wieder abzubauen – sich also wieder zu erholen. Gelingt dieser Wechsel aus Stress und Erholung, so steigt sogar die individuelle Kompetenz zur Stressbewältigung.
So wie zu früheren Zeiten das Eisen und der Tag kein Ende nahm, so vermehren sich heute psychische Lasten. Der Effizienzdruck in Unternehmen führt zu steigender Mobilität und zeitlicher Flexibilisierung. Beruf und Familie müssen ausbalanciert werden. Hobbies und die eigene Freizeit sollen auch nicht zu kurz kommen.
Stressauslöser: Job, Freizeit, eigene Ansprüche
- die Arbeit 46%
- hohe Ansprüche an sich selbst 43%
- zu viele Termine und Verpflichtungen in der Freizeit 33 % 33%
- Teilnahme am Straßenverkehr 30 % 30%
- ständige Erreichbarkeit 28%
Anteil der Befragten mit seltenem bis häufigem Stress, die o.g. Stressursachen nennen.
Source: TK-Stressstudie 2016
Gesundheitlich bedenklich ist die steigende Frequenz dieser Stressoren. Warum ist das so? Wenn statt der Erholungszeit immer noch ein weiterer Stressreiz zu verarbeiten ist, verändert sich unsere körperliche Einstellung zum Stress: Anstatt Stress-Botenstoffe wieder abzubauen, gerät der Körper in einen Daueralarmstatus. Wird dieser zum Normalzustand, mehren sich Anzeichen psychischer Beeinträchtigungen: Reizbarkeit, Rigorismus, Verlust kognitiver Kompetenzen, somatische Beschwerden wie eine dauerhaft einknickendes Immunsystem, Verdauungs- und Sexualstörungen etc.
Interessant ist, dass diese Symptome zumeist nur von Angehörigen und Kollegen registriert werden, die Betroffenen hingegen allenfalls einräumen, vielleicht ein wenig zu viel um die Ohren zu haben. Die eben beschriebenen vitalen Erschöpfungssymptome (vgl. Anzeichen von Burnout) gehen mit einer eigentümlichen Selbstanästhesie einher, die die Wahrnehmung des eigenen Befindens an den Bewusstseinsrand schiebt.
Nun werden Stressoren auch in der Zukunft weiterhin unsere Umwelt prägen. Auch kulturell liegt unserer Welt Unruhe und die Gier nach Veränderung näher als innere Einkehr und Nichtstun (vgl. Interview mit Ralf Konersmann »Stillstand irritiert uns«). Es lohnt sich also darüber nachzudenken, wie wir unsere Beziehung zu diesen ggf. belastenden Symptomen unserer Welt bewusst gestalten wollen.
Stressprävention vor diesem Hintergrund kann verschiedene Funktionen haben. Sie kann funktionieren als Fitnessprogramm, um den Anforderungen im Job gewachsen zu bleiben. Sie kann auch als Erweiterung der eigenen Lebensgestaltung begriffen werden, um Vitalität und Wohlbefinden zu erhalten. Letzteres kann und wird Einfluss auch auf den lebensweltlichen Bereich der Arbeit haben.
Psychisch und körperlich hilfreich zur Stressprävention sind folgende Bereiche: „Bewegung”, „soziale Unterstütung”, „konstruktive Beschäftigung mit der eigenen Innenwelt” und „Techniken der Entspannung”. Hier darf man sich nach eigenem Gusto das Passende aussuchen.